jensscholz, German
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Social Media Kunde:

Immer wieder gibt es ja "Trends", wo wir uns wundern, wieso sich die verbreiten und auf die stoßen wir entweder selbst auf Social Media Plattformen oder Medien berichten darüber, dass das gerade das neue Ding auf Social Media Plattformen ist.

Was dahinter steckt ist, dass "etwas trendet" in der heutigen Medienlandschaft was anderes ist und was anderes aussagt als "etwas ist ein Trend" früher. Das Problem wenn man das nicht weiß ist, dass man einen Fehlschluss zieht.

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jensscholz,
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Früher waren Trends Dinge, die den Mainstream beeinflusst haben, weil ein Verhalten oder eine Mode oder eine Ansicht sich bei den Menschen verbreitet und durchgesetzt hat. Medien sprachen dann von einem Trend, wenn er plötzlich überall sichtbar wurde.

Social Media Trends entstehen aber ganz anders: hier werden Dinge zuerst sichtbar gemacht und damit erst zum "Trend": Denn der Algorithmus zeigt uns Dinge, die wegen ihrer schieren Oddity enorm viel "Engagement" verursachen.

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jensscholz,
@jensscholz@mastodon.social avatar

Daher ziehen Menschen, die eine andere Medienkompetenz gelernt haben, gerne den Fehlschluss, dass es bei "Trends" wie zB derzeit die "tradwife" Videos, um etwas geht, was gerade in den Mainstream hinein wächst oder wofür sich Zustimmung verbreitet - also das, was früher halt mit Dingen passiert ist, wenn die "trendy" waren.

Das ist aber nicht so: Der "Trend" heute ist eine (algorithmisch geführte) erhöhte Aufmerksamkeit für Extreme. Er basiert nicht auf Zustimmung sondern auf Ablehnung.

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oranguta,
@oranguta@mastodon.social avatar

@jensscholz aber weil wir einfach immer noch Affen sind, finden wir irgendwann gut oder zumindest normal, was wir dauernd zu sehen bekommen.

jensscholz,
@jensscholz@mastodon.social avatar

@oranguta Das ist ja auch gar nicht so schlimm erst mal. Ich finde nur, wir sollten uns vor dem Fehlschluss hüten, dass nur weil wir jetzt mehr dummes Zeug zum gaffen finden, das auch bedeuten muss, es gäbe mehr dummes Zeug (oder dumme Menschen, die dummes Zeug machen).

oranguta,
@oranguta@mastodon.social avatar

@jensscholz Aber es ist ja eine selbsterfülltende Prophezeiung. Die meisten Menschen scheinen irgendwann zu vergessen, dass sie eine andere Meinung hatten und machen den "Trend" zu ihrer neuen Lebensrealität. Dann gibt es immer mehr davon. Das mag harmlos sein bei banalen Dingen, aber wenn wir als Gesellschaft rückwärts laufen ohne zu merken, dass wir die ganze Zeit schlechte Dinge pushen statt gute und schöne, das bereitet mir Bauchweh.

jensscholz,
@jensscholz@mastodon.social avatar

@oranguta Nein, das ist ja der Fehlschluss. Wenn du sagst "die meisten Menschen", dann müsstest du ja jede Menge Menschen kennen, die wegen eines Social Media Trends ihr Leben geändert haben. Ist das denn so? Also bei mir nicht und auch kommunikationswissenschaftlich ist die Beobachtung viel mehr so, dass das Gegenteil der Fall ist: Wir ändern unsere Meinungen und Einstellungen nicht auf Druck von außen. Im Gegenteil, Druck bestärkt uns eher, bei unserer Meinung zu bleiben.

NatureMC,
@NatureMC@mastodon.online avatar

@jensscholz Wir ändern meist durch Mitläuferschaft, fängt mit den Peergroups in der Jugend an. Wir wollen dazugehören. Internet-Bubbles sind längst Abbilder von real gelebten Meinungen.
Anders als früher kann ich aber dem rückständigen Dorf entrinnen, indem ich mich mit fortschrittlichen Bubbles vernetze. Ich möcht die positiven Beeinflussungen meiner Ideen und Meinungen durch Menschen im Internet nicht missen.

@oranguta

jensscholz,
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@NatureMC @oranguta Richtig, wir sind Gruppenwesen und suchen nach "unseren Leuten". Wir werden nicht plötzlich Tradwives oder Pickupbros, weil diese Gruppen sichtbar werden. Wir wissen ja zb auch, dass wir uns schon entschieden haben, bevor wir uns Argumente dafür überlegen. Alles andere ist Algorithmen-Esoterik wie vor ein paar Jahren die Story über Cambridge Analytica.

NatureMC,
@NatureMC@mastodon.online avatar

@jensscholz googelt unwissend TradUndBroDingens

Wobei ich trotzdem Parallelen sehe (anders): Früher war's der Stammtisch. Dessen Geschwätz tönte umso lauter ins Dorf, je prominenter die Typen dort, je polarisierter der Streit. Vetterleswirtschaft + Korruption verstärkten eine Meinung etc.
Alles mühsamer und anders als bei Algorithmen, aber im Endeffekt doch auch ähnlich, wenn der Bürgermeister beschloss, der Gemeindewald sei eine Scheibe. 😉

@oranguta

jensscholz,
@jensscholz@mastodon.social avatar

@NatureMC @oranguta
(Natürlich gibt es auch manipulative Gruppen und sowas, aber das ist weder die Norm und nutzt zB Traumata aus, die unsere Wahrnehmung von Zugehörigkeit stören, noch sind Algorithmentrends in der Lage, uns zu etwas zu überreden, von dem wir nicht bereits überzeugt sind.)

NatureMC,
@NatureMC@mastodon.online avatar

@jensscholz Glaubst du, auf den Riesenplattformen wie Twitter und Meta fände keine Propaganda und Desinformation im großen Stil statt? Wie beurteilst du Propagandaangriffe via AI, die Accountzahlen vergrößert?

Die Europäische Union macht sich derzeit massiv Sorgen um Wahlbeeinflussung, ist das dMn übertrieben?
Als Journalistin sehe ich einen übel gefährlichen Sumpf und der will ja die Unentschlossenen einfangen. Übertreibe ich? Ist das alles nicht so schlimm?

@oranguta

jensscholz,
@jensscholz@mastodon.social avatar

@NatureMC @oranguta Klar gibts das, aber Manipulation und Desinformation funktioniert anders. Da geht es um das Ausnutzen des Bestätigungsbias: Man wird dauergeflutet mit Inhalten, die in die eigene Meinung passen und sie bestätigen und im Mindset halten.
Daher ist es egal, wie offensichtlich hanebüchen es für Leute ist, die anderer Meinung sind. Es geht nicht darum, die anderen vom Gegenteil dessen zu überzeugen, was sie glauben.
Ein anderes Ziel ist, den Anschein einer Mehrheit zu erwecken.

jensscholz,
@jensscholz@mastodon.social avatar

@NatureMC @oranguta Ist aber ein eigenes Thema, mir ging es jetzt erst mal nur darum, zu erklären, warum wir nicht alles, was Trend genannt wird, als großes gesellschaftliches Problem verstehen müssen, gegen das wir sofort Maßnahmen ergreifen müssen.

NatureMC,
@NatureMC@mastodon.online avatar

@jensscholz Da du die Medien erwähntest, sprang ich als Journalistin an.😉 Ich finde es auch unsäglichst,wenn manche Medien Hypes noch pushen,nur um Clickbait und Quote zu haben.
Aber es ist die verdammte Aufgabe von Journalist*innen, auch politische Minderheiten zu beobachten, vor allem, wenn sie eine Kampfansage auf die Demokratie im Blut haben.
Die Tradwives agieren ja nicht erst seit jetzt, sie haben einfach nur ihre Propagandastrategie verändert. Da wird ein Hype zum Gradmesser.
@oranguta

NatureMC,
@NatureMC@mastodon.online avatar

@jensscholz Ich verstehe, was du wolltest - und da geb ich dir ja auch recht. Sorry, dass Debatten in Social media manchmal andere Pfade einschlagen. 😉 Lag womöglich an deinem Beispiel. 😎 @oranguta

oranguta,
@oranguta@mastodon.social avatar

@jensscholz
Ich denke ich will für mich nicht einsehen wieviel durch Trends mein Leben beeinflusst wird. Aber ich fand definitiv Röhrenjeans hässlich als Baggypants in waren und andersrum auch. 😂
Ich glaub ich bin jetzt einigermaßen aus dem Alter raus dauernd meine Meinung zu ändern, aber wenn ich mir anschaue, was meine jungen Kolleginnen den ganzen Tag erzählen, was man 1:1 in social media trends findet, dann möchte ich sie regelmäßig schütteln.

NatureMC,
@NatureMC@mastodon.online avatar

@oranguta In den 1970ern hatten wir kein Internet. Aber es gab reale Kämpfe, wer Wrangler und wer Levis trug. Zwei Sorten Menschen, zwei extrem getrennte Bubbles. Wenn du da mit einem Blaumann kamst, gab's einen Shitstorm von beiden. 😎 Keine Algorithmen, aber Fernsehen, Zeitungen und Radio und in allem: Werbeindustrie.

@jensscholz

jensscholz,
@jensscholz@mastodon.social avatar

@NatureMC @oranguta Das ist das, was ich mit "Trends früher" meinte: Das waren Strömungen, die tatsächlich Gruppendruck erzeugten. Die gibt es heute auch noch, aber es gibt eben heute auch die beschriebene andere Art von "Trend" - die dummerweise denselben Namen bekommen hat -, die aber völlig anders funktioniert.

Es geht mir nicht darum, das zu bewerten, sondern darum, dass wir den Unterschied erkennen, welchen wir grade vor uns haben, wenn Medien mal wieder von einem Trend sprechen.

NatureMC,
@NatureMC@mastodon.online avatar

@jensscholz Da sind wir uns völlig einig. Das Wort "Trend" ist elend abgenutzt. Ich rede da eher von Social-Media-Hypes, wenn's dieses künstlich aufgeblasene ich wollte das doch googeln ist.

@oranguta

NatureMC,
@NatureMC@mastodon.online avatar

@jensscholz Ich hab Tradwives gegoogelt und fand eine Bewegung, die 2010 schon groß rauskam, also eigentlich "alt" ist. Dann stockte mir der Atem: Tradwives gehen in Frankreich bei den Antiabtreibungsdemos auf die Straße. Sie marschieren mit den Identitären + Evangelikalen und begrüßen Leute in rechten "Ökodörfern". In Social Media verstärken sie nur ihre Propaganda.
Wenn ich sehe, was im Januar auf den Straßen in Paris los war: Die sind längst eine reale Gefahr für Demokratie/Frauenrechte!

NatureMC,
@NatureMC@mastodon.online avatar

@jensscholz Man kann sich nun zufrieden reden, indem man sagt: Das ist nur ne Minderheit. Aber wenn ich mir die Zahlen in Europa anschaue, die nach rechts abkippen: Ich fürchte, wir reden uns das zu klein.
Ich persönlich glaube, dass die Demokratie und die EU hochgefährdet sind, wenn die große Masse nicht endlich ihren Hintern hochkriegt!
Denn ja, die rekrutieren digital wie analog. Und ja, beeinflussen: https://www.francetvinfo.fr/societe/violences-faites-aux-femmes/le-sexisme-commence-a-la-maison-continue-a-l-ecole-et-explose-en-ligne-denonce-le-haut-conseil-a-l-egalite-dans-son-rapport-annuel-de-2024_6317793.html

jensscholz,
@jensscholz@mastodon.social avatar

@NatureMC Das Problem sind aber nicht "Tradwives", die sind nur eine Mode. Das ist wie wenn wir in den Neunzigern das Verbot von Springerstiefeln gefordert hätten, statt von Nazis. Springerstiefel sind inzwischen quasi verschwunden, Nazis aber nicht. Sich auf "Tradwives" zu konzentrieren statt auf Faschist*innen ist ähnlich fruchtlos. Und ich wette sogar, dass das strategisch genutzt wird, indem immer neue solcher Trends erzeugt werden, an denen Medien und wir uns dann sinnlos abarbeiten.

NatureMC,
@NatureMC@mastodon.online avatar

@jensscholz Was ich jetzt auf die Schnelle nur über Frankreich fand, kann man kaum als "Mode" abtun. Die betrifft vielleicht Äußerlichkeiten oder Inszenierungen. Aber eine antifeministische Bewegung, untermauert mit evangelikaler und/ oder (!)faschistischer Ideologie, seit 14 Jahren (!) aktiv ... sorry, find ich sogar Anlass für Investigativjournalismus: Wer sind die Seilschaften, die Strategien, wie werden Äußerlichkeiten genutzt etc.
Bin vllt empfindlich, weil ich in einer Gegend mit beiden

NatureMC,
@NatureMC@mastodon.online avatar

@jensscholz Sorten ganz real lebe. Und beide sind zum Gruseln, wenn auch immer mehr konservative Politiker*innen sowas nachbeten.
Die Gemeinsamkeit ist eben nicht "Faschismus". Das übergeordnete Etikett ist Tradwives, weil sie den Antifeminismus unterschiedlicher Ideologien in einer ganz bestimmten Ausprägung vorantreiben.
(Das Beispiel stammte ja von dir für "Hypes"). https://www.francetvinfo.fr/replay-radio/dans-la-peau-de-l-info/tradwife-le-mouvement-qui-prone-un-retour-au-modele-des-femmes-au-foyer-des-annees-50_6288969.html

jensscholz,
@jensscholz@mastodon.social avatar

In Wirklichkeit begaffen wir hier also einen Unfall und der Algorithmus ändert die Verkehrsführung so, dass wir auf jeden Fall schön langsam dran vorbeifahren um ihn uns auch wirklich gut ansehen zu können, statt ihn zu vermeiden.

Das heißt aber halt nicht, dass es jetzt mehr Unfälle gibt oder die allgemeine Bereitschaft steigt, auch Unfälle zu verursachen.

Die neuen "Trends" zeigen nicht den neuen Mainstream sondern die Ausnahmen davon. Je weiter weg vom Mainstream, desto "trendiger".

4/4

kaffeeringe,
@kaffeeringe@social.tchncs.de avatar

@jensscholz Beim Lesen habe ich erst gedacht, "ja, es ist halt nur ein Trend auf X und kein gesellschaftlicher Trend." Aber du hast Recht. Es ist nicht einmal das. Es ist nur, was derzeit die stärksten Reaktionen hervorruft. Vor allem Ablehnung. Ein Shitstorm ist so gesehen auch ein Trend.

Auch wenn das keinen gesellschaftlichen Trend auslöst, hat es eine Wirkung. Spätestens, wenn es klassische Medien aufgreifen und allen erklären, die es bisher verpasst haben.

kaffeeringe,
@kaffeeringe@social.tchncs.de avatar

@jensscholz Mich erinnert das an die Streitmaschine: https://kaffeeringe.de/2024/01/01/die-streit-maschine/

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